Handreichung Partizipative Teilhabeforschung

2 Puzzleteile mit Text: partizipative Forschung

„Die partizipative Forschung ist ein Forschungsansatz. Er unterscheidet sich von Forschungsmethoden dadurch, dass eine grundsätzliche Haltung vorausgesetzt wird. Diese Haltung wird dadurch ausgedrückt, dass diejenigen, über deren Lebenssituation, Strukturen oder Arbeitsweise man etwas wissen will, direkt in die Forschung einbezogen werden. Die Mitwirkung unterschiedlicher Gruppen und Sichtweisen hilft dabei, ein bestimmtes soziales Umfeld besser zu verstehen und durch die gewonnen Erkenntnisse zu Veränderungen beizutragen.

Partizipative Forschung kann in allen Forschungsbereichen angewandt werden.“

(http://partkommplus.de/forschung/partizipative-forschung/)

2 Puzzleteile mit Text:  Merkmale von partizipativer Forschung - Veränderung anstoßen
  • Partizipative Forschung ist keine spezifische Forschungsmethode, sondern eine Forschungsstil, eine Haltung oder Grundeinstellung der Forschenden
  • Leitprinzip ist das Beteiligt-Sein am gesamten Forschungsprozess von Menschen, deren Lebenssituationen im Mittelpunkt der Forschung stehen, d. h. dass Forschungsgegenstand, Forschungsfrage, Umsetzung und Auswertung gemeinschaftlich erarbeitet oder ausgeführt werden
  • Forschung soll partnerschaftlich zwischen allen Beteiligten organisiert sein, also eine Koproduktion verschiedener Akteure bzw. Co-Forscher*innen
  • es soll eine maximale Mitgestaltung mit Entscheidungsmacht der Betroffenen in allen Phasen des Forschungsprozesses erreicht werden
  • Machtverhältnisse und Rollenbilder sollen regelmäßig reflektiert und überprüft werden
  • Ziel ist es, nicht nur neue Erkenntnisse zu gewinnen, sondern Veränderungen in den Lebensbereichen anzustoßen und Einzelne oder Gruppen zu stärken („Empowerment“)
2 Puzzleteile mit Text: Wann ist Forschung partizipativ? Nichts über uns ohne uns

Menschen mit Behinderungen müssen für eine Beteiligung an Forschungsvorhaben motiviert werden. Forschungen zum Thema Behinderungen gehen Menschen mit Behinderungen direkt an. Eine Beteiligung ist aber nicht leicht, da für Nicht Wissenschaftler*innen ein Zugang zur Forschungsfragen an viele Voraussetzungen geknüpft ist. Diese Voraussetzungen wollen wir in dieser Handreichung darstellen und Wege aufzeigen, wie eine aktive Beteiligung möglich ist.

Nichts über uns ohne muss auch in der Forschung gelten. Im Bereich der Teilhabeforschung werden Erkenntnisse gewonnen, die das Leben mit Behinderungen entweder ganz direkt betrifft oder für die Zukunft wichtig wird. Forschungsvorhaben zur Teilhabe sollen die Chancen auf gleichberechtigte Teilhabe verbessern. Dafür müssen Menschen mit Behinderungen als Expert*innen in eigener Sache wissen was und wie geforscht wird. Wenn sie die Zielgruppe von Forschungsvorhaben sind, dann müssen sie die Möglichkeit einer Beteiligung auf Augenhöhe haben.

Partizipative Teilhabeforschung bedeutet partnerschaftliches Forschen und ermöglicht das Einbringen eigener Interessen.

Teilhabe wirkt hier in zwei Richtungen: es geht um Teilhabe an Forschungsvorhaben und Teilhabe an der Gesellschaft. Damit verfolgt partizipative Teilhabeforschung das Ziel der Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe.

2 Puzzleteile mit Text: 1. Beteiligung auf Augenhöhe. Respekt

Unterschiedliche Wissensstände stellen eine hohe Hürde für eine Beteiligung auf Augenhöhe dar. Besonders wenn das Forschungsthema durch Wissenschaftler*innen bestimmt wurde (was aktuell immer noch die Regel ist) gib es auf der Seite der Wissenschaft einen großen Wissensvorsprung, der auch als Machtgefälle bezeichnet wird. Das Forschungsanliegen muss Menschen mit Behinderungen, die sich am Forschungsvorhaben beteiligen sollen, so vermittelt werden, dass sie sich selbst eine Meinung bilden können. Nur dann können sie ihr Erfahrungswissen in den Prozess einbringen und damit die Grundlagen für einen  partizipativen Prozess legen.

2 Puzzleteile mit Text:  2. Erfahrung + Wissen = Erfahrungswissen

Erfahrungswissen + Expert*innen in eigener  Sache + Co Forscher*innen

Aus der Erfahrung werden Erkenntnisse gezogen. (aus der Erfahrung, dass ich als Frau mit Behinderungen immer wieder nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werde, kann die Erkenntnis gezogen werden, dass Frauen mit Behinderungen besondere Probleme beim Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Aus dieser Erfahrung wird so Erfahrungswissen, dass in ein entsprechendes Forschungsvorhaben eingebracht werden kann. Wissenschaftler*innen wiederrum kennen statistische Daten, verfügen über das Wissen von Methoden, die angewandt werden können, um die berufliche Teilhabe von Frauen mit Behinderung zu einem Forschungsthema zu machen.)

Expert*innen in eigener Sache sprechen nicht über Behinderung und Menschen mit Behinderungen sondern von ihnen. Sie kennen aus eigenem Erleben ein Leben mit Behinderungen. Neben ihrer eigenen Erfahrung verfügen sie oft auch über weiteres Wissen zum Thema Behinderung.

Wann sind Expert*innen in eigener Sache Co-Forscher*innen? Wenn sie mehr als ihr Erfahrungswissen einbringen. Wenn sie aktiv in den Forschungsprozess einbezogen sind und diesen auch mitgestalten. Expert*innen in eigener Sache können ihr Erfahrungswissen auch dann einbringen, wenn sie nicht mit forschen. Deshalb sollte der Begriff Co-Forscher*in für das aktive Mitforschen vorbehalten bleiben. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Begriff ungenau wird und der partizipative Forschungsprozess nur mit dem  Etikett Co Forscher*innen versehen wird.

2 Puzzleteile mit Text: 3. Gegenseitige Wertschätzung. Vertrauen aufbauen.

Für die gegenseitige Wertschätzung ist die Anerkennung des Erfahrungswissens der Expert*innen in eigener Sache wichtig. Müssen Expert*innen in eigener Sache alles verstehen können? Wissenschaft soll Wissenschaft und Forschung soll Forschung bleiben. Deshalb kann das Ziel partizipativer Forschung nicht sein, dass Expert*innen in eigener Sache die Aufgabe von Wissenschaftler*innen übernehmen. Etwas anders stellt es sich dar, wenn Menschen mit Behinderungen selbst Forschungsvorhaben beauftragen – siehe dazu unsere Handreichung „Formulierung von Forschungsfragen“. Gegenseitige Wertschätzung bewirkt Vertrauen und auf dieser Grundlage können dann auch Forschungsbestandteile vollständig in die Hände von Wissenschaftler*innen gelegt werden.

2 Puzzleteile mit Text: 4. eine gemeinsame Sprache finden

Wissenschaft und Forschung hat eine eigene Sprache und braucht diese auch, um forschen zu können. Im PTF ist es umso wichtiger, eine gemeinsame Sprache zu finden. Hierfür sind gemeinsame  Workshops sehr hilfreich oder unsere Webseite, die wichtige Begriffe und Methoden vorstellt und erklärt.

2 Puzzleteile mit Text: 5. zeitliche Ressourcen - Vergütung für die Beteiligung

Partizipative Forschung dauert länger als Forschung ohne aktive Beteiligung nicht wissenschaftlicher Expert*innen. Ohne zusätzliche Zeit kann es keine partizipative Forschung geben. Expert*innen in eigener Sache müssen für ihre aktive Beteiligung am Forschungsvorhaben vergütet werden.

2 Puzzleteile mit Text: 6. umfassende Barrierefreiheit

Die Barrierefreiheit muss für die Beteiligung gewährleistet sein. Dazu gehören – jede nach Bedarf – die Zugänglichkeit der Räumlichkeiten, Gebärdensprach- und Schriftdolmetschung, Übersetzung in Leichte Sprache.